Neulich erzählte mir eine Freundin von ihrem neuen Freund, einem Ingenieur. Sie wusste nicht genau, was seine Arbeit beinhaltet – sie vermutete, er „bastelt“ irgendwie an Dingen. Als ich ihn dann traf, stellte sich heraus, dass er Requirements Engineer ist – genau wie ich. Diese Entdeckung brachte uns zum Lachen, denn Requirements Engineering hat wenig mit „Basteln“ zu tun, sondern viel mehr mit präziser Planung und Umsetzung in der IT-Welt.
Diese Begegnung brachte mich zum Nachdenken: Wie oft verstehen selbst nahe Personen nicht, was hinter komplexen IT-Berufen wie dem Requirements Engineering steckt? Deshalb möchte ich an dieser Stelle diesen „geheimnisvollen“ Beruf entmystifizieren und entdecken, wie essenziell gutes Requirements Engineering für den Erfolg jedes IT-Projekts ist.
Mit der zunehmenden Vernetzung, Digitalisierung und Globalisierung steigen auch die Komplexität und die Anforderungen an IT-Systeme
Wiener Wirtschaft / Ausgabe 20 / 26. September 2024
Bereits im Jahr 2013 veröffentlichte die Standish Group ihren „Chaos Report“. In diesem wurde Folgendes festgestellt:
Im Jahr 2012:
Und was bedeutet das für Unternehmen? Es bedeutet, dass bei IT-Projekten in den meisten Fällen entweder mit einer Verspätung, mit Mehrkosten und/oder weniger Funktionsumfang gerechnet werden muss.
Doch was ist das Problem bei diesen gescheiterten IT-Projekten?
The task of requirements gathering, selecting, and implementing is the most difficult in developing custom applications.
Quelle: The Standish Group - Chaos Manifesto
Und genau dieses Zusammentragen der Anforderungen ist die Aufgabe und die Verantwortung eines Requirements Engineers.
Folgender Satz hat mir dazu unlängst in dem extra der Wiener Wirtschaft gefallen:
Eine zentrale Herausforderung besteht darin, digitale Lösungen so zu gestalten, dass sie unsere menschlichen Bedürfnisse effektiv adressieren und nicht nur technische Anforderungen erfüllen.
Wiener Wirtschaft / Ausgabe 6 / 14. März 2024 - Extra Unternehmensberatung, Buchhaltung & IT - Seite VI
Der Requirements Engineer kann in unterschiedlichen Rollen an einem Projekt beteiligt werden. Manchmal als klassischer Requirements Engineer, oftmals aber auch in der Rolle des Systemanalytikers, Business Analysten, Projektmanagers oder Product Owners.
Der Requirements Engineer ist jene Person, die, Anforderungen für ein IT-Projekt erfasst, analysiert, dokumentiert und verwaltet. Dabei ist seine Hauptaufgabe, die Wünsche und Bedürfnisse der Stakeholder, unter anderem der Kunden des Systems, zu verstehen und klar und verständlich zu erfassen. Durch das Einnehmen der unterschiedlichsten Perspektiven der Stakeholder, sei es nun ein Endnutzer, das Wartungspersonal oder der Auftraggeber, stellt der Requirements Engineer sicher, dass die entwickelte Anwendung erfolgreich wird.
Dabei ist der Requirements Engineer in seiner Arbeit abhängig vom Input und dem Feedback der Stakeholder. Das macht diese Position zu einer sehr kommunikativen und teamorientierten Aufgabe.
Eine der faszinierendsten Aufgaben in meinem Beruf besteht darin, Fragen zu stellen und bestehende Prozesse, die oft aus Gewohnheit beibehalten wurden, neu zu überdenken. Hierbei ist Feingefühl von entscheidender Bedeutung. Als erster Ansprechpartner für die zukünftigen Benutzer eines Systems habe ich die Möglichkeit, Anforderungen zu erfassen und Ideen in die richtige Richtung zu lenken. Diese Fähigkeiten sind nicht nur durch fachliche Kenntnisse erworben, sondern können auch von Quereinsteigern stammen, die bereits in verschiedenen beruflichen Kontexten Systeme genutzt und eigene Anforderungen entwickelt haben.
In der oben genannten Definition ist das Wort „Stakeholder“ bereits ein paar mal vorgekommen. Auf dieses möchte ich nun genauer eingehen. Ein passendes Synonym dafür wäre „Interesseneigner“.
Stakeholder sind Menschen oder juristische Personen im Zusammenhang mit Ihrem Projekt, die das Projekt beeinflussen und die davon betroffen sind.
Quelle: IREB - Advanced Level Elicitation
Diese Stakeholder spielen eine wichtige Rolle im Projekt, denn sie dienen als wichtigste Quelle von Anforderungen. Denn das zukünftige System soll weitestgehend den Wünschen und Bedürfnissen dieser Stakeholder entsprechen.
Ein Produkt, das den Wünschen und Bedürfnissen der Stakeholder entspricht, bietet einem Unternehmen wesentliche Vorteile:
Insgesamt führt das Entwickeln von Produkten, die auf die Wünsche und Bedürfnisse der Stakeholder ausgerichtet sind, zu einer höheren Kundenzufriedenheit, einer stärkeren Marktposition und einem geringeren Risiko von Produktfehlschlägen.
Dies unterstreicht, warum die Rolle des Requirements Engineers so stark auf Kommunikation ausgerichtet ist. Um in diesem Feld erfolgreich zu sein, sind bestimmte Soft-Skills unerlässlich. Ein versierter Requirements Engineer zeichnet sich aus durch:
Durch die Kombination dieser Soft-Skills kann ein Requirements Engineer effektiv dazu beitragen, dass IT-Projekte bzw. Softwareprodukte nicht nur die gestellten Erwartungen erfüllen, sondern auch begeistern. Daher eignet sich besonders dieser Beruf meiner Meinung nach für den Quereinstieg in die IT-Branche.
Wenn auch du wie mein Freund "bastelst", aber sicherstellen möchtest, dass das Ergebnis keine Überraschung wird, dann lass uns über Requirements Engineering sprechen. Es ist der Schlüssel zu erfolgreichen IT-Projekten.